Wut

Wut


Sie lodert.
Sie schneidet durch dein Schweigen.

Du hast versucht, sie zu zähmen.
Sie in ein Lächeln zu kleiden,
in einen Witz,
in ein „ist doch nicht so schlimm“.

Doch sie brennt weiter.
Unter deiner Haut.
Im Bauch, im Kiefer,
im Atem, der stockt.

Sie ist älter als deine Angst.
Uraltes Feuer,
das aufflammt,
sobald etwas dich verrät.

Wut ist keine Fremde.
Sie ist Blut, das sich wehrt.
Sie ist Erinnerung an dich.

Und wenn du ihr Raum gibst,
wird sie nicht zerstören.
Sie wird dich aufrichten.
Sie wird dir die Worte in den Mund legen,
die Hände aus den Fesseln lösen.

Wut ist die Schwester der Liebe.
Denn sie zeigt dir,
wo dein Herz nicht länger schweigen will.

Sie ist das Feuer,
das dich heimruft.


die Wut sprich zu dir:

Ich bin die, die du immer weggesperrt hast.
Die du weggelächelt, weggeschluckt, wegmeditiert hast.
Und doch: ich bin noch da.

Ich bin das Pochen in deinem Bauch,
das Feuer unter deiner Haut.
Ich bin der Riss in deinem Atem,
wenn du „alles gut“ sagst
und es ist nichts gut.

Ich komme, wenn du dich verrätst.
Wenn du schweigst, obwohl du brüllen müsstest.
Wenn du bleibst, obwohl alles in dir gehen will.

Ich bin nicht hier, um dich zu zerstören.
Ich bin hier, um dich zurückzurufen.
Zu deiner Würde.
Zu deiner Klarheit.
Zu deinem Nein.

Ich bin nicht schön.
Ich bin nicht brav.
Aber ich bin wahr.

Und wenn du mich endlich hörst,
wenn du mich nicht länger einsperrst –
dann bin ich deine Kraft.
Dann bin ich dein Schutz.
Dann bin ich das Feuer,
das dich leben lässt.





Wut braucht keine Erlaubnis.


Sie ist kein „wir dürfen“.
Sie ist ein „wir müssen“.

Wir müssen sie zulassen.
Wir müssen sie rauslassen.
Schreien. Schreiben. Stampfen. Brennen.

Wut ist kein höflicher Gast.
Sie ist das Feuer, das uns lebendig macht.